Südtiroler Pestizid-Prozess findet statt / Trotz Ankündigungen Klage nicht zurückgezogen / Hunderttausende fordern schnelles Prozess-Ende
Strafgerichtsprozess gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München startet heute trotz der Ankündigung von Landesrat Schuler, die Anzeigen fallen zu lassen. UmweltschützerInnen protestieren vor Ort gegen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen aus aller Welt erklären sich mit Anzeigen in italienischen Zeitungen solidarisch mit den Angeklagten. Mehr als 200.000 Menschen aus Europa unterzeichnen Appell an Landesrat.
München/Bozen, 15.09.2020: Obwohl Landesrat Schuler gestern angekündigt hatte, die Anzeigen wegen übler Nachrede gegen Pestizid-KritikerInnen zurückziehen, steht Umweltschützer Karl Bär heute in Bozen vor Gericht. Bis Prozessbeginn lag den AnwältInnen der Beklagten keine Bestätigung seitens des Bozener Landesgerichts über die Rücknahme der Anzeigen vor. Im Gegenteil, Landesrat Schuler hat sich in dem Verfahren als Nebenkläger eingelassen. Bei einer Protestaktion vor dem Landesgericht Bozen in Südtirol forderten UmweltaktivistInnen deshalb kurz vor Beginn der Verhandlung Arnold Schuler auf, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Sie verklebten sich vor Ort die Münder, um symbolisch gegen den Versuch der Südtiroler Landesregierung zu protestieren, Pestizid-GegnerInnen mundtot zu machen. „Die Wahrheit auszusprechen ist kein Verbrechen!“ stand auf einem großen Plakat, das Karl Bär sowie den österreichischen Buchautor Alexander Schiebel abbildete, der ebenfalls wegen übler Nachrede angeklagt ist.
Karl Bär, Agrarreferent beim Umweltinstitut: “Landesrat Arnold Schuler will die Öffentlichkeit glauben machen, der Prozess sei bereits erledigt. Die Klagen gegen mich und Alexander Schiebel sind aber keineswegs bereits fallengelassen worden. Noch immer drohen uns Haft- und Geldstrafen sowie Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe. Erst wenn alle Anzeigen vom Tisch sind und der Prozess eingestellt wurde, ist dieser Angriff auf die Meinungsfreiheit endgültig vorüber. Arnold Schuler muss sein Wort halten und unverzüglich die Anzeigen offiziell zurückziehen.”
Unterstützung erhielten Karl Bär und Alexander Schiebel und auch von mehr als 100 Umwelt-, Sozial- Verbraucherschutz- und Agrarverbänden sowie kirchlichen und direktdemokratischen Initiativen aus aus der ganzen Welt, darunter Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe, Slowfood, der Europäische Berufsimkerverband, Legambiente und der WWF Italien. Vertreten sind Organisationen aus 18 Ländern, von Italien über Ungarn bis Neuseeland. Sie veröffentlichten heute in „La Repubblica“ und in “La Stampa”, die zu den bedeutendsten Tageszeitungen Italiens gehören, eine gemeinsame Solidaritätserklärung. Darin heißt es:
„Kritik an Missständen offen und angstfrei äußern zu können – auch in zugespitzter Form – ist ein elementarer Bestandteil jeder funktionierenden Demokratie. Deshalb blicken wir mit großer Sorge auf diese Entwicklung in Südtirol. Zugleich sind wir entschlossen, solche Einschüchterungsversuche nicht hinzunehmen. Wir werden (...) jetzt erst recht thematisieren, was sich in Südtirol und anderswo in der Landwirtschaft ändern muss. Die KlägerInnen fordern wir dazu auf, ihre Klagen unverzüglich zurückzuziehen und den Streit um den Pestizideinsatz dort zu führen, wo er ausgetragen werden muss: in der Gesellschaft und in den Parlamenten, nicht vor Gericht.“
Zudem unterzeichneten bereits mehr als 200.000 Menschen aus ganz Europa einen Appell der Kampagnennetzwerke Campact und WeMove an Landesrat Arnold Schuler, in dem dieser aufgefordert wird, seine Anzeigen fallen zu lassen.
Weitere Informationen
In unserem Elektronischen Pressekit finden Sie (in deutsch, italienisch und englisch):
- die Solidaritätserklärung von mehr als 100 Verbänden, erschienen in “La Repubblica” und "La Stampa"
- Fotos der heutigen Protestkundgebung am Bozener Landesgericht (sobald verfügbar)
- ein ausführliches Hintergrundpapier zu den Prozessen und dem Pestizideinsatz in Südtirol
- druckfähiges Fotomaterial von Karl Bär und Alexander Schiebel sowie dem Apfelanbau im Vinschgau
- die Anzeigen von Arnold Schuler
- die Pressemitteilung der Pressekonferenz zu den Klagen vom 08.09.2020 in Bozen sowie
- weiteres Material zum Prozess.
Weitere hochauflösende Pressefotos finden Sie hier.
Pressekontakte
Fabian Holzheid
Umweltinstitut München
Pressesprecher, Vorstand
Tel. +49 89 - 30 77 49 19
fh@umweltinstitut. org
www.umweltinstitut.org
Karl Bär
Umweltinstitut München
Referent für Agrar- und Handelspolitik
Tel. +49 89 - 30 77 49 34
Mobil: +49 176 - 100 94 126
kb@umweltinstitut. org
Nicola Canestrini
vertretender Rechtsanwalt
Mobil: +39 3398125835
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